Von Burgfräulein, Drachen und Gespenstern...
Schulchor und Theater-AG führen das Kindermusical „Ritter Rost“ auf
„Ihr müsst Euer Bestes geben und so gut wie möglich sein. Bei der Generalprobe spielen wir einmal alles ganz durch, am besten ohne Unterbrechungen – wie es echte Profis sonst auch machen, wenn’s drauf ankommt.“ Eberhard Metternich, Leiter des Schulchores, schwört die Sängerinnen und Sänger der dritten und vierten Schuljahre in der Aula der Kölner Domsingschule auf einen möglichst fehlerfreien Durchlauf ein und gibt letzte musikalische Hinweise. Gleich also soll’s losgehen, bevor dann am Folgetag die Eltern eingeladen sind und sich anhören können, was ihre Kinder in den letzten Monaten fleißig Woche für Woche im Chor und in der Theater-AG geprobt haben. Und im Ernstfall sollte dann auch klar sein, wann absolute Konzentration gefordert ist, es leiser oder lauter zugehen sollte oder die zum Teil selbst genähten Kostüme und von Hand hergestellten Requisiten als bunte Farbtupfer eines phantasievollen Bühnenbildes in ihrer Originalität besonders gut zur Wirkung gebracht werden müssen.
Der Drache macht einen Kratzfuß. „Guten Morgen, Herr König!“, sagt das Tier namens Koks – alias Anna. Auch Fräulein Bö – Maya aus der 4b – kommt zur Begrüßung. „Wo ist das Gespenst?“, ruft Spielleiterin Annette Riehm in die Runde, stellt Sarah aus der 3b in die Mitte der Gruppe und klärt noch einmal die Position der einzelnen Protagonisten. „Bei allem immer das Publikum im Blick behalten und laut sprechen!“, mahnt sie munter und hilft bei einem vorübergehenden Texthänger weiter. Aber da hat auch Souffleuse Katharina bereits das Stichwort aus dem Manuskript für den nächsten Dialog gegeben. Und weiter geht’s mit einer kleinen Modenschau, bei der Koks Federboa, Tücher und Kopfschmuck ausprobiert, um alles dann doch achtlos auf den Boden zu werfen. „Das ist in diesem Moment Deine Bühne“, wendet sich Regisseurin Riehm Anna zu und rät: „Genieße es, und mache deutlich ausladende Bewegungen!“
Mit „Ritter Rost“ steht im Mittelpunkt der diesjährigen Musicalaufführung der Dritt- und Viertklässler ein beliebter Klassiker, der in den vergangenen Jahren in deutschen Kinderzimmern fast Kultstatus erlangt hat. Ritter Rost hat einen Registrierkassenbauch und trägt auf seinem Kopf statt eines schmucken Stahlhelms ein eher untypisches Sammelsurium an Blechrollen und -schüsseln. In einem ähnlich wild zusammen geschraubten Fantasie-Kosmos lebt er auch und hält sich für den Schönsten, Klügsten und Stärksten. Wäre da nicht König Bleifuß, der sich ebenfalls selbst für unvergleichlich weise hält. Besser, man widerspricht ihm da nicht, denn sonst wird man eingesperrt. Ein obdachloses Gespenst erscheint auf der eisernen Burg des Ritter Rost und veranstaltet mit Koks, dem Hausdrachen, eine Gespenster-Show. Währenddessen muss Ritter Rost zu einem Ritterturnier einladen, bei dem Burgfräulein Bö, König Bleifuß der Verbogene, sein Schreiber Ratzefummel und andere Blechritter nicht fehlen dürfen. Doch immer wieder kommt „Rösti“ in Schwierigkeiten, weil er Angst bekommt und seine Ritter-Aufgaben nicht erfüllen kann. Bloß gut, dass er Koks und das Burgfräulein Bö hat, die ihm aus der Patsche helfen.
Die Einstudierung eines Musicals immer zum Abschluss eines Schuljahres hat in der Domsingschule Tradition und ist für alle Mitwirkenden eine Herausforderung. Die jungen Sängerinnen und Sänger müssen textsicher und rhythmisch auf den Punkt zu sein. Für die anderen Schüler, die freiwillig und mit großer Begeisterung in der von Annette Riehm geleiteten AG mitmachen, geht es auch darum, in den Hauptrollen dieses Musiktheaters ihr szenisches Spiel mit vielen Monologen, Dialogen und sogar kleinen solistischen Gesangseinlagen zu kombinieren. Für zwei Aufführungen – eine am Morgen und eine am Nachmittag – hat Riehm jeweils die Hauptrollen doppelt besetzt, so dass möglichst viele Kinder zum Einsatz kommen und dabei auch jeweils ihre Kostüme und den imaginären Schauplatz der Ritterburg mit einem Einsatz im Chor abwechseln.
Mit einer großen Portion Humor, Charme und vielen originellen Ideen ist es Spielleiterin Annette Riehm und Kunstlehrerin Susanne Wetzler auch diesmal wieder gelungen, das unter Kindern sehr beliebte Musical phantasievoll zu inszenieren. „Dabei suchen wir im Vorfeld die Geschichte jeweils gemeinsam mit den Chorleitern aus, prüfen, was gesangs-, aber auch bühnen- und zeittechnisch mit unseren Möglichkeiten machbar ist“, erklärt Riehm. „Kostüme schöpfen wir oft aus unserem Fundus, der mit der Zeit angewachsen ist und in dem wir natürlich immer auch eine Menge bunter Gewänder für unterschiedliche Zwecke aufbewahren.“ So findet zum Beispiel Annas Drachenkostüm nach einer Aufführung von „Tabaluga“ in den vergangenen Jahren nun eine Wiederverwendung. Manches aber werde auch eigens kunstvoll im Unterricht von Susanne Wetzler hergestellt, berichtet Riehm. Auch der eine oder andere Einfall käme ihr erst während der Proben, und so entwickele sich die Regiearbeit manchmal zu einem kreativen Prozess, bei dem immer noch bis zum Schluss etwas dazukommen oder sich verändern kann.
Auch die Dekoration ist nicht immer gleich von Anfang an gesicherter Bestandteil der Bühne. „Viele der Requisiten kommen erst später dazu“, so Riehm. „Anfragen an die Eltern, die die AG, wo immer sie können, tatkräftig unterstützen, führen sehr oft mit manch passendem Schätzchen aus dem heimischen Hausrat zum gewünschten Erfolg.“ Es müsse schließlich nicht immer gleich etwas kosten, den nötigen Effekt zu erzielen. „Nur die größeren, zum Stück passenden Bühnenelemente gestalten wir meistens neu. Das sind dann intensive Unterrichtsstunden, bei denen die Schüler mit Herzblut bei der Sache sind“, berichtet die Konrektorin der Domsingschule. Auf diese besondere Ritterrüstung zum Beispiel, die aus vielen zusammengeklebten Einzelteilen besteht und mit einer Sprühdose silbern eingefärbt wurde, müsse man erst einmal kommen, lobt sie ihre Kollegin Wetzler, die bei der textilen oder handwerklichen Umsetzung über ein ganz besonderes Geschick verfügt. Gelungen und witzig sind auch manche Dialoge, die das Publikum zum Schmunzeln bringen sollen, oder der choreografische Auftritt der Mitternachtsgespenster. Schließlich sollen die Zuschauer ihren Spaß haben.
„Stellt Euch immer so, dass das Publikum möglichst viel von Euch sieht“, lautet wiederholt eine Regieanweisung an die Kinder, die bei der nächsten Szene neu auf die Bühne kommen. „Und denkt an die Bewegung beim Spielen; immer muss etwas passieren. Niemand sollte nur untätig herumstehen“, kritisiert Riehm. „Vieles studieren wir ganz genau ein. Manches aber lebt auch von der Improvisation und dem Steggreifspiel. Dafür lasse ich immer ganz bewusst Raum. Kinder muss man dahin bekommen, dass sie selbst Ideen für ihr Spiel entwickeln, aus der einfacheren passiven in eine aktive Rolle wechseln“, erläutert die Pädagogin. „Manche müssen sich erst überwinden, aber andere überzeugen mit Gesten, die sie selbst einbringen, sofort. Und dann sieht man auch, dass ihnen ihr Auftritt vor großem Publikum viel Spaß macht“, erklärt Riehm. Vor allem aber müsse man würdigen, dass es jeder so gut macht, wie er kann. „Diesmal ist es so, dass man für temperamentvolle Charaktere – wie in diesem Stück – eben auch temperamentvolle Kinder braucht.“
Dabei ist es ihr Part, zwar zu schauen, wer sich besonders zum Vortragen eignet, beispielsweise gut liest, sich für den aufmerksamen Souffleur eignet oder aber auch schon allein äußere Voraussetzungen für manche Figur mitbringt. Genauso gerne aber fördert sie die Kinder, die sich freiwillig melden und sich grundsätzlich zum Mitmachen bei einer der tragenden Rollen hochmotiviert zeigen, auch wenn sie erst nach und nach in ihre Aufgabe hineinwachsen. Dass die Theater-AG momentan 25 Mitwirkende hat, sei schon ein großes Geschenk, sagt Riehm, auch wenn die Probenarbeit damit anstrengender würde, da doppelte Besetzung auch doppeltes Proben bedeute. „Jeder, der will, findet hier seinen Platz“, betont sie. Das Wichtigste aber sei der Spaß am Spielen. „Und den sieht man jedem, der hier mitmacht, an.“
Das Kinder-Musical „Ritter Rost“ wird am 30. Juni um 8.30 Uhr und um 14.30 Uhr von den Schülern der dritten und vierten Schuljahre in der Aula der Domsingschule aufgeführt. Den Schulchor dirigiert Domkapellmeister Eberhard Metternich. Am Klavier begleitet Domkantor Oliver Sperling. Szenische Einstudierung: Annette Riehm; Requisite und Kostüme: Susanne Wetzler; Technik: Bernhard Walterscheid.
Beatrice Tomasetti