Schulseelsorger lädt zum Kommunionunterricht auch ungetaufte Kinder ein
"Von Gott erzählen und einander seine Liebe zeigen": Über drei Jahrzehnte besuchten die Kölner Domsingschule in Lindenthal ausschließlich katholisch getaufte Kinder. Das hat sich vor ein paar Jahren geändert. Welche Chance darin für die pastorale Arbeit liegt, schildert Burkhard Hofer.
DOMRADIO.DE: Zum ersten Mal in der Geschichte der Kölner Domsingschule haben Sie zwei Klassengemeinschaften des dritten Schuljahres, zu denen auch ungetaufte und evangelische Kinder gehören, auf die Erstkommunion vorbereitet, zumal die Schule seit 2021 auch nicht-katholische Kinder aufnimmt. Wie hat das die Erstkommunionkatechese verändert?
Burkhard Hofer (Schulseelsorger der Kölner Domsingschule): Der christliche Grundauftrag, allen Menschen das Evangelium zu verkünden, ihnen die Menschenfreundlichkeit Gottes zu zeigen und sie zur Nachfolge Christi einzuladen, bleibt ja derselbe und schließt Ungetaufte oder Angehörige einer anderen Konfession und Religion nicht aus. Natürlich hat sich dadurch, dass nicht getaufte, evangelische und katholische Kinder zusammenkommen – im nächsten Jahr werden zusätzlich auch noch orthodoxe Schüler mit dabei sein – die Ausgangssituation verändert, was in jedem Fall viel Sensibilität erfordert. Aber inhaltlich musste ich eigentlich nichts umstellen, eher formal.
So habe ich vor Kursbeginn ein Gespräch mit den Eltern der nicht-katholischen Kinder geführt und dieses fakultative Angebot der Erstkommunionkatechese innerhalb des Klassenverbands vorgestellt, die damit verbundenen Themen skizziert und schließlich gefragt, ob das nicht auch etwas für ihr Kind wäre. Wer sich dagegen entscheide, könne für sein Kind in dieser Zeit ein gutes musikalisches Alternativprogramm in Anspruch nehmen. Es sollte also keinerlei Druck ausgeübt werden.
Was mich wirklich freut, ist, dass sich nach diesem Gespräch alle Eltern für die Erstkommunionvorbereitung entschieden haben – vielleicht auch, weil das Argument der Gemeinschaftserfahrung, was ja schon allein in dem Wort "Communio" steckt, überzeugt hat. Bei diesem Kurs machen wir uns gemeinsam auf einen Weg. Und die Themen, die bei diesem Miteinander-Unterwegssein behandelt werden, betreffen das Leben jedes Kindes – unabhängig von seiner Konfessions- oder Religionszugehörigkeit – und beleuchten es aus der Sicht des Glaubens.

DOMRADIO.DE: Welche Themen sind das denn?
Hofer: Wir sprechen zum Beispiel über Heilige, also Vorbilder im Glauben, die ihr Leben überzeugend in der Nachfolge Jesu gestaltet haben, und fragen uns, was sie zu dieser Lebensführung bewegt hat. Wir thematisieren auch die Botschaft und Bedeutung von Weihnachten, dass Gott Mensch wird und uns damit zeigt, dass er ein großes Herz für uns hat und jeder Einzelne für ihn wertvoll ist. Es geht aber auch um den Umgang mit Schuld, wenn wir uns auf den Empfang des Sakraments der Versöhnung – die Erstbeichte – vorbereiten. Da sage ich ja dann nicht den nicht-katholischen Kindern, dass sie das nicht betrifft. Im Gegenteil: Das Thema an sich ist für jeden wichtig. Und mit Beispielen aus der ganz alltäglichen Lebenswirklichkeit der Kinder versuche ich, ihnen zu erschließen, wie wir mit dem, was nicht im Leben gelingt, wo wir auch schuldig werden, indem wir einem anderen weh tun, umgehen können: nämlich indem wir ehrlich zu unseren Fehlern stehen und sie bekennen, nichts in uns hineinfressen, sondern mit dem anderen sprechen, Strategien des Umgangs mit Schuld entwickeln und auch Entlastung finden bzw. uns von Schuld befreien können.

Ich stelle den Kindern dabei die Vergebungsbereitschaft Gottes vor, der sich wie ein barmherziger Vater über jeden Menschen freut, der umkehrt. Gott verzeiht aus Liebe und wünscht sich von uns Menschen, dass wir ebenso einander verzeihen. Die katholischen Kinder empfangen schließlich das Sakrament der Versöhnung. Den nicht-katholischen Kindern biete ich, wenn sie mögen, ein persönliches Gespräch zu diesem Thema an.
Ein weiteres Beispiel ist die Sternsingeraktion, an der sich verpflichtend immer alle Kinder der dritten Schuljahre beteiligen, weil es hier um den Einsatz für Kinder in Not geht. Auch das ist ja nicht an die katholische Konfession gebunden, sondern ich tue etwas Gutes und setze mich nach dem Beispiel Jesu für andere Kinder ein, denen es nicht so gut geht wie mir. Oder aber wir beschäftigen uns mit dem Glaubensbekenntnis, bei dem es zunächst darum geht, mutig zu einer Entscheidung zu stehen. Wenn es schließlich um die Eucharistie geht, denken wir erst einmal darüber nach, wie wertvoll Brot ist. Wir haben miteinander ein Fladenbrot geteilt und jedes Kind hat ein Stück bekommen. Wir haben gespürt, dass Brot Gemeinschaft stiftet. Es steht für alles, was wir zum Leben brauchen. Insofern gibt es bei jedem dieser Themen eine allgemeingültige Relevanz, so dass ich die Inhalte der Erstkommunionkatechese gar nicht groß umstellen musste.
DOMRADIO.DE: An der Tauferinnerungsfeier, die Teil der Erstkommunionvorbereitung ist und immer eine Woche vor der Erstkommunion im Kölner Dom stattfindet, haben am vergangenen Samstag alle Schülerinnen und Schüler der beiden dritten Klassen teilgenommen. Wie gestaltet man pädagogisch einen Gottesdienst, in dem – naturgemäß – nicht alle Kinder dieselben Voraussetzungen mitbringen? Schließlich können ungetaufte Kinder kein Taufversprechen ablegen…

Hofer: Auch hier war den nicht-katholischen Kindern freigestellt, an der Feier vor dem Dreikönigsschrein teilzunehmen. Dazu habe ich vorher die Kinder und Eltern befragt. Das heißt, auch diese Teilnahme ist wieder eine bewusste Entscheidung der jeweiligen Familie.
Grundsätzlich stellt sich für mich natürlich bei jedem Gottesdienst die Frage nach der inhaltlichen Gestaltung, damit die Kinder etwas für sich mitnehmen. Entscheidend ist für mich dabei, dass sie sich in einer Gemeinschaft erleben. Alle Kinder sind viele Monate gemeinsam auf dem Weg gewesen. Und da finde ich es total klasse, dass die Familien sagen, da wollen wir – auch wenn unser Kind nicht getauft ist – mit dabei sein, zumal sie ja ganz genau wissen, dass ihr Kind dann nichts erneuern kann, was nie gegeben wurde: nämlich das Taufversprechen. Trotzdem finde ich, dass das für sie eine wichtige Erfahrung ist, weil ja der Wunsch, getauft zu werden, im weiteren Verlauf des Lebens immer noch aufploppen kann. Bei einem der Kinder war dieses Bedürfnis, sich zugehörig fühlen zu können, dann im Zuge der Erstkommunionvorbereitung so stark, dass wir es im Rahmen einer Familienmesse tatsächlich getauft haben.
Grundsätzlich lade ich alle Kinder immer zu allen Formaten ein, eben weil wir uns als Gemeinschaft zusammen auf den Weg gemacht haben. Ich will natürlich transparent sein; das heißt, ich erkläre immer, was im Einzelnen in welchem Gottesdienst passiert. Und es wird selbstverständlich respektiert, wenn das nicht-katholische Kind an einem Gottesdienst nicht teilnehmen möchte. Niemand bekommt etwas übergestülpt. Alles gemeinsam zu erleben, fördert meines Erachtens aber auch die gegenseitige Toleranz und den Respekt voreinander, dass ich mich zum Beispiel mit den katholischen Mitschülerinnen und -schülern mitfreue, dass am Ende dieser Weg der Vorbereitung in ein großes Fest mündet – mit der Zwischenstation der Tauferinnerung. Das ist in meinen Augen doch ein sehr schönes Zeichen des Miteinanders – auch wenn bei der Tauferinnerungsfeier natürlich dann nur die katholisch und evangelisch getauften Kinder ihr Taufversprechen erneuern können.
DOMRADIO.DE: Wie groß war die Herausforderung, ungetaufte, evangelische und katholische Kinder gleichermaßen mit den Lerninhalten zu erreichen?

Hofer: Wenn ein Kernanliegen der Erstkommunionvorbereitung die Vermittlung von Gemeinschaftserfahrung ist, dann besteht dieses Anliegen auch erst einmal unabhängig von der Konfessions- oder Religionszugehörigkeit. Insofern ist die Herausforderung nicht unbedingt größer als vorher. Jedenfalls besteht sie nicht darin, dass die Kinder unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen und nicht alle katholisch sozialisiert sind. Im Kern geht es darum: Wie gehen wir miteinander um – ganz praktisch. Die Kinder gestalten gemeinsam das Kommunionbild, sie üben gemeinsam das Kommunionlied ein, sie gehen gemeinsam auf "Koki-Fahrt", basteln zusammen die Kerze. Jedes Kind ist Teil der Gemeinschaft und trägt etwas dazu bei. In der Kommunionvorbereitung erfahren die Kinder, was für Jesus beim Gelingen von Gemeinschaft wichtig ist: die gemeinsame Fürsorge, Empathie und vieles mehr.
Alle Kinder sind immer erst einmal – unabhängig davon, ob sie getauft oder nicht getauft, evangelisch oder katholisch sind – neugierig und wissbegierig. Und alle tragen auch eine Sehnsucht nach Antworten auf Fragen wie "Was ist gerecht?" oder "Wie gelingt mein Leben?" in sich. Alle Kinder sind daran interessiert, Gott näher kennenzulernen, mehr von ihm zu erfahren. Ich denke, dass die Sehnsucht nach Sinn und Gerechtigkeit in allen Menschen ist. Da finde ich es toll, dass ich den Kindern Gott als jemanden vorstellen kann, der unsere Sehnsucht stillen kann. Und das will ich niemandem vorenthalten.
DOMRADIO.DE: Im Verlauf der Erstkommunionvorbereitung hat sich eines der drei ungetauften Kinder taufen lassen. Wie kam es dazu?

Hofer: Für Antonina, die getauft wurde, kam das Angebot der Erstkommunionvorbereitung genau zur rechten Zeit. Sie hatte die Möglichkeit, sich zusammen mit ihrer Klassengemeinschaft ein halbes Jahr lang intensiv mit dem christlichen Glauben zu beschäftigen. Hätte es dieses Angebot nicht gegeben, wäre der Wunsch, sich taufen zu lassen – der vielleicht bereits in ihr geschlummert hat – vermutlich nicht gewachsen. Das zeigt mir, dass es sich lohnt, auch die ungetauften Kinder in die Kommunionvorbereitung einzubinden, ohne zwanghaft missionieren zu wollen, sondern dieses Angebot als einen Prozess zu sehen. Wie und wo hätte auch sonst ein solcher Wunsch reifen können? Viele Eltern sagen ja, ihr Kind solle das eines Tages selbst entscheiden. Spätestens ab dem dritten Schuljahr aber werden sie dann bei uns von ihrem eigenen Kind mit der Frage konfrontiert: Warum bin ich eigentlich nicht getauft? Und die Erstkommunionvorbereitung bietet dann ganz konkret den Anlass, hier eine Entscheidung zu treffen.

DOMRADIO.DE: Wie hat denn die Gemeinschaft auf Antoninas Entschluss reagiert?
Hofer: Alle haben sich natürlich total gefreut und dann an der Taufe im Rahmen einer Familienmesse teilgenommen. Die Kinder haben um den Täufling herumgestanden, konnten also hautnah miterleben, was es heißt, sich taufen zu lassen. Nun ist das natürlich auch eine ganz wunderbare Feier voller Zeichen und Symbolik: das Übergießen mit Wasser, das Salben mit Öl, das Taufkleid, die Taufkerze. Es wird sehr anschaulich, was passiert. Wir haben also nicht nur über das Sakrament der Taufe gesprochen, sondern nun wurde sie für alle auch erfahrbar. Insofern haben alle ein ganz wunderbares Gemeinschaftserlebnis miteinander geteilt.
DOMRADIO.DE: Wie gesagt, die Zulassungsbedingungen, um ein Kind in der Domsingschule, eine der 33 Erzbischöflichen Schulen, anzumelden, haben sich vor ein paar Jahren geändert. In den aktuellen ersten Schuljahren gibt es schon jetzt einen beachtlichen Anteil ungetaufter Kinder oder Kinder einer anderen Konfession. Welche Chancen sehen Sie unter diesen Bedingungen für die pastorale Arbeit?
Hofer: Diese Öffnung verdeutlicht letztlich sehr klar unseren missionarischen und diakonischen Auftrag, allen dasselbe Angebot zu machen, nämlich alle Kinder mit Jesus Christus und dem Evangelium in Berührung zu bringen. Das Gesamtkonzept der Domsingschule sieht ab dem ersten Schuljahr vor, Kinder dabei zu begleiten, in den Glauben hineinzuwachsen, gemeinsames Beten zu erlernen, sich über die Kirchenraumerkundung und die Feier der Schulgottesdienste mit religiösen Vollzügen vertraut zu machen, bei religiösen Projekttagen der Nähe Gottes in ihrem eigenen Leben auf die Spur zu kommen, den kirchlichen Jahreskreis mitzufeiern und eben dann im dritten Schuljahr an der Kommunionvorbereitung, die ja wie ein Intensivkurs in Sachen Glauben ist, teilzunehmen.

Für mich ist die Tatsache, dass unser umfassendes Angebot nicht mehr nur allein katholische Kinder erreicht, jedenfalls ein Ansporn, diesen Auftrag zu erfüllen Letztlich aber ist es auch die gebotene Antwort auf die Herausforderungen einer zunehmend religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaft.
Gleichzeitig bietet die Öffnung der Zugangsbedingungen für die Schule die Gelegenheit, das eigene Profil nochmals zu schärfen. Auch bei katholischen Familien setzt die Beschäftigung mit dem Glauben nochmals eine ganz neue Auseinandersetzung in Gang. Das heißt, wenn alle mit gleichen Voraussetzungen kommen, bedarf es kaum der Nachfrage oder Diskussion. Wenn aber da ein Kind ist, das von Gott noch nichts oder wenig weiß, aber den Wunsch nach Zugehörigkeit hat, sind auch die katholischen Mitschülerinnen und Mitschüler ganz anders gefordert, Antworten auf die Frage nach Gott zu geben. Von daher finde ich, dass das, was Gott sich da von uns wünscht, nämlich sich mit ihm auseinanderzusetzen, von ihm zu erzählen und einander seine Liebe zu zeigen, alle gleichermaßen bereichert.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti.