Was kann die Erstkommunionvorbereitung noch leisten? – Interview mit Schulseelsorger Burkhard Hofer


Vorbei die Zeiten, als Kinder noch selbstverständlich katholisch sozialisiert und entsprechend vertraut mit religiösen Ritualen waren. Burkhard Hofer berichtet, wie er fehlendes Wissen kompensiert und welche Erfahrungen er vermitteln will.

Herr Hofer, mehr als ein gutes halbes Jahr Zeit nehmen Sie sich, um die Drittklässler auf die Erstkommunion vorzubereiten. Von außen betrachtet kann man den Eindruck gewinnen, es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, die Kinder thematisch zu fokussieren. Die Kirchenkrise mit anhaltenden Diskussionen im häuslichen Umfeld trägt sicher ihren Teil dazu bei. Wie erleben Sie das?

Pastoralreferent Burkhard Hofer (Schulseelsorger der Kölner Domsingschule): Die anhaltende Vertrauenskrise im Erzbistum macht die pastorale Arbeit vor Ort auf jeden Fall nicht einfacher. Die Eltern äußern inzwischen eher selten offen ihren Frust darüber. Ich nehme eine gewisse Resignation wahr und dass viele an der Institution Kirche schon gar nicht mehr leiden, weil sie die Hoffnung auf Reformen verloren haben. Die Kirche hat in ihrem Leben scheinbar keine Relevanz mehr. Die Menschen trauen ihr einfach nicht mehr zu, dass sie von ihr tragfähige und stärkende Antworten auf ihre drängenden Lebensfragen erhalten. Und das ist ja eigentlich das Kerngeschäft von Kirche. Von daher verstärkt die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche schon die Schwierigkeit, die Kinder auf ihre Erstkommunion vorzubereiten, weil sie zunehmend in einem Umfeld aufwachsen, wo es eine kritische Distanz zur Kirche gibt.

Gott sei Dank sind Kinder von sich aus neugierig und wissbegierig. Sie bringen die Freude mit, sich gemeinsam auf den Weg machen und etwas Neues kennenlernen zu wollen. Das ist das Pfund, mit dem man wuchern kann. Allerdings verfügen sie über wenig religiöse Voraussetzungen und so gut wie keine liturgischen Erfahrungen – im Vergleich zu früher, als sie noch ganz anders, nämlich selbstverständlich im Elternhaus katholisch sozialisiert waren.

Burkhard Hofer
Burkhard Hofer

Was bedeutet das für die Vorbereitung?

Hofer: Das heißt, in der Regel fange ich bei Null an, so dass wir ganz elementar im ersten Schuljahr mit der Kirchenraumerfahrung beginnen. Die Kinder lernen, dass sie beim Betreten einer Kirche ein Kreuzzeichen machen und an der Bank eine Kniebeuge. Zunächst geht es also darum, den sakralen Raum kennenzulernen. Und es dauert, bis sie verinnerlicht haben, wie sie ein solches Gotteshaus betreten und sich dann darin verhalten. Da ich als Schulseelsorger mit den Kindern mehrere Jahre am Stück arbeite, wir von Anfang an Schulgottesdienste miteinander feiern, habe ich hier einen Vorteil, den die Katecheten in der Gemeinde so nicht haben: Ich verfüge über die Möglichkeit, im Vorfeld der Erstkommunionvorbereitung einen Grundstock an religiösen Erfahrungen zu legen, weil mir die Kinder nicht fremd sind.

Wie nehmen Sie sie denn wahr?

Hofer: Eine große Herausforderung ist, dass es Acht- und Neunjährigen zunehmend schwer fällt, sich in ihrer Gemeinschaft zurechtzufinden. Das ist insofern nicht ohne Brisanz, als die Erstkommunion ja ein Fest der Gemeinschaft ist. Das heißt, es ist wichtig, diese Gemeinschaft im Alltag auch zu erfahren und zu leben. Ich beobachte die Zunahme an Verhaltensauffälligkeiten. Viele Kinder tun sich schwer damit, sich zurückzunehmen, Kompromissbereitschaft zu zeigen und sich auf ein Thema länger zu konzentrieren.

Wie gehen Sie damit um?

Hofer: Ich kann den Anspruch haben, in der Kommunionvorbereitung alles das aufholen zu wollen, was bisher versäumt wurde, indem ich den Kindern dieses fehlende Wissen beibringe. Ich glaube aber, dass dieser Weg nicht erfolgreich ist und nur zu Frustration auf allen Seiten führt. Stattdessen kann ich den Kindern die religiöse Erfahrung von Gemeinschaft ermöglichen, indem ich ihnen verdeutliche, dass uns das, was Jesus damals im Abendmahlssaal getan hat und was wir seitdem in der Eucharistie immer wieder feiern, im eigenen Leben stärken will und dass die Gemeinschaft dabei eine große Rolle spielt.

So haben wir zum Beispiel bei unserem Koki-Wochenende ein Fladenbrot miteinander geteilt. Obwohl wir über 40 Personen waren, haben alle etwas davon abbekommen. So wird Teilen anschaulich und erfahrbar. Es geht ja nicht ums Sattwerden, sondern darum, dass jeder etwas bekommt und wir in Gemeinschaft miteinander von diesem Brot essen. Und darum zu erfahren, wie gut es tut, nicht für sich allein zu bleiben. Jesus hat uns das vorgelebt, indem er getröstet und Gemeinschaft gestiftet hat. Ein solches Ritual ist für die Kinder viel verständlicher und nachhaltiger, als sich theologische Lerninhalte oder den Messablauf in seinen einzelnen Teilen einzuprägen.

Tauferinnerungsfeier im Kölner Dom

Was gehört für Sie zu den unverzichtbaren Essentials, die Sie den Kindern auf ihrem Weg zum großen Fest unbedingt mitgeben wollen?

Hofer: Dass Jesus ein treuer Begleiter im Leben ist, auf den sie bauen können. Nicht von ungefähr steht das Thema „Taufe“ am Beginn der Kommunionstunden. Wir machen uns auf den Weg, weil Gott uns in der Taufe versprochen hat, für uns da zu sein. Die Kinder sollen spüren, dass Jesus Christus ihr Freund ist, sich für das interessiert, was sie bewegt, für sie ein offenes Ohr hat; dass er ein nicht ferner Gott ist, der sich in der Begegnung – in der Eucharistie – ganz und gar schenkt und das von nun an immer tut. Eine größere Nähe ist nicht möglich.

Verdeutlichen lässt sich das ganz wunderbar an der Emmaus-Geschichte: Da sind zwei Jünger mit all ihren Fragen, mit allem, was sie beschäftigt, auf dem Weg. Dann gesellt sich Jesus – zunächst unerkannt – zu ihnen, interessiert sich für ihre Probleme, und sie halten Mahlgemeinschaft, die höchste Form der Gottesbegegnung. Und plötzlich sind die Jünger wie verwandelt. Ihre Traurigkeit ist verflogen, und sie erzählen den anderen von ihrem Erlebnis. Die Botschaft ist: Jesus gibt uns Kraft, wir können verwandelt ins Leben gehen. Jesus ist es, der sich in der Kommunion selbst schenkt und uns damit das Leben in Fülle schenkt. Mit dem Brot schenkt er uns alles, was wir zum Leben brauchen. Damit löst er – um wieder den Bogen zur Taufe zu schlagen – das Versprechen ein, dass Gott uns damals gegeben hat.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist mir, dass die Kinder daraus ableiten, auch für andere da zu sein. Denn so wie Gott sich für mich interessiert, so soll ich mich für die anderen interessieren. Aus diesem Grund ist mir wichtig, dass wir bei den Sternsingern mitmachen oder uns zum Beispiel für die Menschen in Madagaskar einsetzen, die zuletzt im Fokus der Fastenaktion MISEREOR gestanden haben. Wenn davon etwas hängen bleibt, ein Herz für andere zu haben, ist schon viel gewonnen. Und ein Drittes ist mir wichtig: sich mit dem Glaubensbekenntnis zu beschäftigen und die Haltung zu entwickeln, zu Gott zu stehen. Die Kinder sollen sprachfähig werden, ihren Glauben zu bekennen und öffentlich ihr „Ja“ zu Gott zu sagen. Deshalb feiern wir die Tauferinnerung auch immer eine Woche vor der Erstkommunion mit einer eigenen Zeremonie, weil jeder selbst dazu noch einmal bewusst stehen soll, Christ zu sein.

Tauferinnerungsfeier im Kölner Dom

Die Kinder der Kölner Domsingschule empfangen die Erste Heilige Kommunion immer im Kölner Dom, der einen ganz außergewöhnlich feierlichen Rahmen bietet. Der Widerspruch, dass viele Familien sich ein tolles Fest wünschen, aber mit dem Herzen nicht mitgehen, hat sich noch nie auflösen lassen. Was wäre da Ihr Wunsch?

Hofer: So distanziert manche Familien bzw. Eltern auch sein mögen, so ist mein Wunsch, dass sie offen und bereit sind, sich gemeinsam mit ihrem Kind auf diesen Weg der Vorbereitung einzulassen und dabei auch eigene religiöse Erfahrungen zu machen. Die Kinder müssen sich begleitet fühlen. Daher lade ich bei einem Kennlernnachmittag die Eltern immer dazu ein, mit ihrem Kind darüber ins Gespräch zu kommen, warum sie ihr Kind damals überhaupt haben taufen lassen. Damit will ich schon von Anfang an deutlich machen, dass die Eltern nicht allein die Organisatoren eines großen Festes bleiben. Zudem dienen die Familienmessen, die wir während der Erstkommunionvorbereitung feiern, der liturgischen Beheimatung der Kinder und der Eltern.

Gelingt das denn?

Hofer: Die größte Herausforderung sehe ich darin, dass die Menschen häufig erst mal reserviert und mit gewissen Vorurteilen gegenüber der Kirche ankommen. Da ich in diesem Moment das Gesicht von Kirche bin, erlebe ich anfangs ein vorsichtiges Abchecken meiner Person. Ich will auf jeden Fall ein offenes, sympathisches, interessiertes und hoffentlich auch einladendes Gesicht von Kirche zeigen. Denn letztlich kann es ja nur im Miteinander gehen. Ich merke doch, dass die Eltern auf der Suche sind, den Wunsch nach Gemeinschaft und Austausch haben. Daher ist es wichtig, Räume zu öffnen, ansprechbar zu sein. Mir kommt dabei zugute, dass ich ein verheirateter Familienvater bin, der die Sorge um die eigenen Kinder kennt.

Und mit der feierlichen Gestaltung des Erstkommuniontages bringe ich zum Ausdruck, dass mir wichtig ist, dieses Fest wirklich als einen großen Feiertag – mit allen gemeinsam – zu erleben, wozu ich mir viele Gedanken mache. Klar, die „Location“ Kölner Dom war immer schon etwas ganz Besonderes. Aber der Kern ist eigentlich doch etwas sehr Schlichtes: dass sich Gott in der Gestalt des Brotes in meine Hände gibt. Alle Äußerlichkeiten drum herum sind nur Beiwerk und Ausdruck einer großen Freude. Letztlich aber geht es darum, das Wesentliche ins Zentrum zu stellen. Und da bin ich sehr zuversichtlich: Denn ich habe eigentlich immer die Hoffnung, dass die Saat, die hier gelegt wird, eines Tages aufgeht.

Sie erleben die Kinder ja auch noch ein ganzes Schuljahr nach der Erstkommunion in Schulgottesdiensten oder anderen schulpastoralen Projekten. Was bleibt den Kindern von ihrer Erstkommunion? Oder was würden Sie sich wünschen, dass bleibt?

Hofer: Manche erlebe ich als Schulseelsorger der Liebfrauenschule sogar noch länger, so dass wir uns erst einmal nicht aus den Augen verlieren. Mittlerweile treffe ich meine ersten Kommunionkinder, die schon seit Jahren in den Domchören singen, als Firmlinge wieder. Ich wünsche mir, dass sie trotz allem mit Kirche eine gute Erfahrung verbinden, dass sie sich bewahren konnten, dass die Eucharistie etwas ganz Besonderes ist und ihnen etwas für ihr Leben schenkt: Kraft, Hoffnung, Mut. Dass sie erfahren, dass Gott sie begleitet und sie ein positives Gottesbild haben. Vor allem würde ich mir wünschen, dass etwas von dieser ursprünglichen Freude des Erstkommuniontages und der Faszination dieses besonderen Geschenkes Gottes bleibt, dass sie in jedem Eucharistieempfang immer Gottes Liebe spüren. Und dass diese Gabe in der Eucharistie zur Aufgabe für sie wird und sich anderen gegenüber in Trost, Fürsorge, Solidarität und Achtsamkeit äußert.

Die Kinder erleben die Erstkommuniongemeinschaft in ihren Klassen. Daher würde ich mir außerdem noch wünschen, dass sich der gute Geist ihrer Gemeinschaft nicht verliert und sich im Verhalten untereinander auch zukünftig zeigt.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti

Die Erstkommunionfeier der Domsingschule findet statt am So, 14. Mai um 10 Uhr im Kölner Dom.