Erzbischöfliche Musiktage 2024 unter der Leitung von Joachim Geibel


Ob am Cello, Fagott oder Horn, im Gospelchor, Bläserensemble oder beim Tanz – wer Spaß an Musik hat, kommt bei den Erzbischöflichen Musiktagen stets auf seine Kosten. Auch weil die gemeinsame Zeit immer mit einem Highlight endet.

"Lasst die Achtel nicht verhungern, nutzt mehr Bogen! In Takt 61 verzögere ich und danach subito a tempo." Den Geigen zugewandt, empfiehlt Joachim Geibel: "Nicht hetzen, ganz entspannt. Man muss die Melodieführung hören." Dann ruft er den Bläsern zu. "Kann ich mehr Holz haben, dafür bei den Streichern bitte ein Decrescendo. Und dann alles geben! Ich will Kolophoniumwolken sehen."

Der Dirigent winkt ab. "Hier brauchen wir eine ganz andere Klangfarbe." Er versucht es mit einem Bild aus "Herr der Ringe", will die musikalische Phantasie der Jugendlichen beflügeln und zur Höchstleistung motivieren: "Denkt an den Kampf um die Weiße Stadt, wie Heerscharen von Orks und Trollen anrücken, um die Festung einzunehmen." Und in der Tat: Der Hinweis aus dem Fantasy-Film verfehlt seine Wirkung nicht. Orchester und Chor legen sich ins Zeug. Diesmal stimmt das An- und Abschwillen der Dynamik. Auch die Querflöten und Klarinetten behaupten sich gut. "Ganz super, so wird’s", lobt der 35-Jährige alle Akteure und legt sichtlich zufrieden den Taktstock aus der Hand. 

Erzbischöfliche Musiktage 2024

Kollegenteam assistiert bei der musikalischen Betreuung

Im Kapitelsaal von Haus Altenberg findet an diesem Spätnachmittag die erste Tutti-Probe statt. Denn auf dem Programm der 90 Jugendlichen steht die Messe in C für Soli, Chor und Orchester, Opus 169, von Joseph Rheinberger aus dem Jahr 1891; ein Werk, das Geibel vom Anforderungsprofil für die Oberstufenschülerinnen und -schüler zwischen 16 und 19 für anspruchsvoll, aber dennoch gut machbar hält. "Effektvolle, tolle Musik", findet der studierte Musiklehrer und Chorleiter, der selbst von Kindesbeinen an gesungen hat, mehrere Instrumente beherrscht und nun die Zuversicht verbreitet, dass bis Sonntagmorgen 11 Uhr, wenn es dann ernst wird, alle Hürden genommen und auch die letzten Wackler ausgemerzt sind. Schließlich stehe ja noch der ganze Samstag fürs Feintuning zur Verfügung. Außerdem muss er nicht alles alleine mit den Chorsängern und Instrumentalisten einstudieren. Ein zehnköpfiges Kollegenteam, das auch für die Gesamtorga mit zuständig ist, assistiert bei der Betreuung der einzelnen Stimm- und Instrumentalgruppen und hält dazu separate Proben mit den Streichern, Holz- und Blechbläsern ab.

 Das sind längst eingespielte Abläufe, schließlich finden die "Erzbischöflichen Musiktage", eine Initiative der Schulabteilung des Erzbistums und der Kölner Dommusik, 2024 bereits zum 32. Mal statt, allerdings erstmalig unter der Leitung von Joachim Geibel, dem neuen Schulleiter der Musikschule der Dommusik. "Eine wunderbare Einrichtung", schwärmt dieser dann auch. "Ich kenne solche Formate aus meiner eigenen Jugend und weiß, wie prägend sie sein können. Umso mehr freue ich mich, dass ich diese Tradition nun weitertragen darf." Klar, Corona habe die sonst konstant dreistellige Teilnehmerzahl zuletzt spürbar heruntergefahren, aber am gegenläufigen Trend arbeite er bereits, lacht Geibel und freut sich, dass von insgesamt 30 Erzbischöflichen Schulen gut die Hälfte vertreten ist und sich aus den Jahrgangsstufen 10, 11 und 12 immerhin doch viele musikbegeisterte Schülerinnen und Schüler angemeldet haben. 

Erzbischöfliche Musiktage 2024

Innerhalb kurzer Zeit großes Werk erarbeiten

Dieses Projekt sei einfach eine tolle Sache: "eine musikalische Reise, an deren Ende dann ein durchaus überzeugendes Ergebnis tagelangen Probens und Übens steht." Ziel sei, dass sich Jugendliche innerhalb eines kurzen Zeitraums mit einem großen Werk der geistlichen Musikliteratur beschäftigten und gleichzeitig von einem außergewöhnlichen Gemeinschaftserlebnis profitierten. Ein intensiver Prozess, der alle fordere, aber auch die Neugier auf gemeinsames Experimentieren nicht zu kurz kommen lasse. Schließlich müsse man erst zusammenfinden.

Die knapp fünf Tage selbst sind durchgetaktet – auch mit Workshop-Angeboten am Abend, wo es dann mal etwas lockerer zugeht: mit Jazz, Pop, Soul oder Tanz beispielsweise. Je nach Neigung kann bei diesem Angebot jeder seinen Platz finden: auch in einem Gospel-Chor oder einer Jazz-Band. 

Für eine "super Möglichkeit, in großer Runde zu musizieren" hält Helena Wery, vor 20 Jahren selbst einst Teilnehmerin, dieses Altenberger Angebot. "Weil an Schulen oft solche Kapazitäten fehlen. Außerdem kommuniziert man den ganzen Tag über Musik. Das ist etwas Besonderes und fördert zudem Freundschaften", erklärt die Musiklehrerin des Clara-Fey-Gymnasiums in Bad Godesberg und einstige Assistentin des Mädchenchores am Kölner Dom. "Am ersten Tag hält man nicht für möglich, dass man am fünften dann ein richtiges Aha-Erlebnis haben kann. Man freut sich über jeden Fortschritt und testet die eigenen Fähigkeiten aus." Und wer morgens noch am Geigenpult gesessen habe, probiere sich abends in der Soul-Band aus. Für sie sei es zudem höchst spannend, die Musiktage nun auch mal aus der anderen Perspektive zu erleben, so die 35-Jährige.

Über Mozarts "Zauberflöte" hat Lina-Jolie ihre Liebe zur Musik, speziell zur Querflöte, entdeckt. Sonst spielt die 16-Jährige im Schulorchester, genießt aber nun die Herausforderung, in neuer Umgebung auch neue Bekanntschaften zu schließen, vor allem aber musikalisch dazuzulernen und das eigene Spiel zu verbessern. 

Erzbischöfliche Musiktage 2024

Die Solisten-Parts übernehmen Schülerinnen und Schüler

Helene studiert inzwischen zwar längst Informatik in Graz, hat aber als ehemalige Schülerin des St. Ursula-Gymnasiums in Düsseldorf schon einige Male bei den Musiktagen mitgemacht und begleitet nun ihren 16-Jährigen Bruder Martin, der zum ersten Mal in diese Veranstaltung hineinschnuppert. Außerdem gehört sie neben Katharina, die in der Sopran-Partie stimmlich alle ihre Kollegen überstrahlt, sowie Benedikt, Bass, und Alex, Tenor, zu der Solistenriege, die sich freiwillig für die Soli gemeldet hat. "Weil sich im Alt sonst niemand getraut hat", begründet die 22-Jährige. Natürlich sei das aufregend. "Schließlich habe ich das noch nie gemacht, aber irgendwie ist die Anspannung positiv besetzt." Überhaupt seien diese Tage ein einziger Genuss, weil man immerzu singe und trotzdem erstaunlicherweise am Abend immer noch fit sei – zum Beispiel fürs Sirtaki-Tanzen. "Altenberg ist immer ein Geschenk", findet die Studentin. 

Überzeugendes Gesamtpaket

"Singen ist meine Leidenschaft", schwärmt Bass-Solist Benedikt, ebenfalls vom Düsseldorfer St. Ursula-Gymnasium und zum zweiten Mal mit dabei. Auch ihn überzeugt die akribische Probenarbeit an der Messe, aber vor allem das Gesamtpaket, zu dem auch ein Morgen- und ein Abendgebet gehören. "Hier wächst man wie eine Familie zusammen", beschreibt er seine Beobachtungen. Keine Angst vor der ersten Reihe? "Ich wollte mal etwas Mutiges machen", lacht der 16-Jährige, der in seiner Freizeit in zwei Chören singt, unter anderem im Opernchor. Außerdem hat er in Freund Alex, der das Tenor-Solo übernimmt und mit 19 schon einen Erfahrungsvorsprung hat, ein starkes Vorbild. 

Dass hier jeder alles gibt, aber auch mal etwas Neues ausprobiert wie Laura, die sonst zu den tragenden Säulen im Mädchenchor am Kölner Dom gehört, nun aber als Stimmführerin in der zweiten Geige Verantwortung übernimmt, macht den Einstand für Joachim Geibel als "Neuen" leicht. "Alle investieren viel Energie, sind hochmotiviert und wachsen über sich hinaus", betont er. "Den ganzen Tag Musik mit diesen jungen Leuten zu machen – das ist Freude pur."