Alexander Niehues freut sich auf den ersten Domchor-Auftritt
Von Mainz über Düsseldorf nach Köln: Seit dem 1. September hat Köln einen neuen Domkapellmeister. Der steht jetzt vor seinem ersten Einsatz mit dem Domchor bei einer Messe. Alexander Niehues erzählt, wie er in Köln aufgenommen wurde.
DOMRADIO.DE: Wir haben schon vor gut einem Jahr miteinander gesprochen als bekannt wurde, dass Sie neuer Domkapellmeister am Kölner Dom werden. Jetzt sind Sie seit rund drei Wochen tatsächlich im Amt. Wie haben Sie diese ersten Wochen in Köln erlebt?
Alexander Niehues (Leiter Kölner Dommusik und Domkapellmeister am Kölner Dom): Es war ein sehr schöner Start, bei dem ich überaus freundlich und herzlich aufgenommen wurde.
Natürlich bin ich jetzt nach diesen ersten drei Wochen immer noch sehr überwältigt: So viele Menschen, denen ich begegnen darf, ein großartiges Team, das ich leite, in das ich aber auch hineinwachsen muss und die vielen anderen "Player" hier rund um den Dom, die kennenzulernen sind. Dazu kommen die unterschiedlichen Sitzungen und Gremien. Also eine sehr spannende Sache, die nicht ganz ohne Energieverlust vonstattengeht (lacht).

DOMRADIO.DE: Sie leiten das Vokalensemble Kölner Dom und den Kölner Domchor, das ist der traditionsreiche Knabenchor am Kölner Dom. Wie war denn bei den Jungs die erste Probe, die mussten sich an einen ganz neuen Dirigenten gewöhnen...
Niehues: Ich glaube, für die Jungs war es sehr spannend. Da war die Neugier groß: Wie ist der neue Dirigent denn so, lacht er auch mit uns, spielt er Fortnite? Welcher Fußballverein ist denn sein Lieblingsverein? Solche Fragen kommen selbstverständlich sofort. Ein schöner Zufall war, dass in meiner ersten Woche im Amt gleich eine Konzertfahrt in den Rheingau anstand. In solch einem Kontext fällt das Kennenlernen viel leichter. Natürlich sind die Jungs in den Proben auch gerne ein bisschen quirlig. Aber ich denke, wir werden die ersten Aufgaben im Dom in jedem Fall sehr gut meistern.
DOMRADIO.DE: Jetzt am Sonntag steht das erste Pontifikalamt, also die erste Messe, für Sie im Kölner Dom mit dem Domchor an, das zugleich Höhepunkt und Abschluss der Dreikönigswallfahrt mit der Kirchweih ist. Natürlich übertragen wir von DOMRADIO.DE die Messe. Sind Sie schon ein bisschen aufgeregt?
Niehues: Ein bisschen Aufregung muss doch dazugehören. Aber ich bin vor allem gespannt. Wir haben mehrmals die Woche geprobt und für Sonntag alles sehr gut vorbereitet und einstudiert. Eigentlich bin ich fest davon überzeugt, dass wir einen fulminanten Auftritt hinlegen und das Pontifikalamt festlich mitgestalten werden.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja selbst ausgebildeter Sänger, Organist und Dirigent. Kindern das Singen beizubringen unter hohem zeitlichen Aufwand; das ist ja nicht mehr selbstverständlich in der heutigen Zeit. Was versuchen Sie denn schon in ersten Proben den Kindern zu vermitteln?
Niehues: Dass man mit Disziplin und Konzentration unglaublich viel erreichen kann. Wenn ein Sänger in der Probe zum Beispiel erst einmal sehr unkonzentriert ist, bekommt er einen anderen Sitzplatz. Plötzlich ist er voll dabei und singt wunderschön. Verbunden mit dem entsprechenden Feedback hat er so ein tolles Erfolgserlebnis.

DOMRADIO.DE: Zugleich ist es ja so, dass für die Kinder die zeitlichen Herausforderungen nicht weniger werden; Schule, Ganztagsbetreuung, dazu ein breites Freizeitangebot allgemein mit vielen Möglichkeiten als Alternative zum Singen. Sehen Sie da in den nächsten Jahren Veränderungsbedarf bei der Dommusik mit Blick auf Probenhäufigkeit und Auftrittshäufigkeit oder sagen Sie, wir lassen uns jetzt mal alles an uns herankommen und schauen, wie sich der Chor entwickelt?
Niehues: Das erste Jahr muss von Kontinuität geprägt sein. Danach müssen wir im gesamten Team überlegen, ob wir Stellschrauben nachjustieren müssen. Sind es weniger Auftritte oder weniger Proben? Sind es gezieltere oder mehr Proben oder gehaltvollere Auftritte? So ein konzeptionelles Unterfangen müssen wir angehen. Aber vielleicht passt ja auch alles genauso, wie es bisher lief. Wichtig ist, dass das hohe Niveau der Dommusik gehalten und auch weiterhin kontinuierlich verbessert werden muss.
DOMRADIO.DE: Sie hatten ein Jahr Vorlauf, bis die neue Stelle anfängt. Sie haben im Gespräch mit uns vor einem Jahr gesagt, dass Sie in dieser Zeit den ein oder anderen Knabenchor in Deutschland besuchen wollen. Wie war das zurückliegende Jahr für Sie gewesen?
Niehues: Sehr, sehr spannend – natürlich geprägt vom Abschied von meiner bisherigen Kirchenmusikerstelle in Düsseldorf und immer wieder von Besuchen hier in Köln bei der Dommusik, aber auch im Dom selbst. Ich habe versucht, hier vorab möglichst viele Leute zu treffen und möglichst viel zu erfahren. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie meine Arbeit in der Dommusik aussehen kann und welche Musik wir in welchem Gottesdienst und in welchem Konzert aufführen können. Es gab viele pädagogische Überlegungen und selbstverständlich war auch die Wohnungssuche ein großes Thema im vergangenen Jahr.
DOMRADIO.DE: Und das mit der Wohnungssuche hat geklappt?
Niehues: Es hat tatsächlich funktioniert, wird aber noch ein bisschen dauern. Die nächsten Wochen werde ich also noch pendeln, bis dann der Umzug hoffentlich Ende November stattfinden wird.

DOMRADIO.DE: Die Aufgaben des Domkapellmeisters umfassen sehr viele unterschiedliche Tätigkeiten. Sie leiten zwei Chöre; Sie haben sehr junge Sänger, Sie haben erfahrene Sänger dabei. Zur Dommusik gehört aber auch die Grundschule, die Musikschule. Auch die beiden anderen Domchöre - Mädchenchor am Kölner Dom und die Domkantorei - gehören dann letztlich auch zu Ihrem Aufgabenbereich, auch wenn die eigene Leiter mit Oliver Sperling und Joachim Geibel haben. Wie reizvoll ist es denn für Sie, dass Sie so unterschiedliche Herausforderungen als Domkapellmeister haben?
Niehues: Das hochanspruchsvolle Arbeiten, beispielsweise mit dem Vokalensemble, wird mich als Musiker und Künstler weiter fordern. Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen sehe ich als Investition in die Zukunft. Mich selbst wird es hoffentlich jung halten und mich am Puls der Zeit dranbleiben lassen. Wie tickt denn die heutige Jugend und was brauchen sie? Was muss ich tun, damit wir den jungen Menschen kirchlich aber auch gesellschaftlich etwas mit auf den Weg geben können?
DOMRADIO.DE: "Wer singt, betet doppelt." Das ist ja ein sehr bekannter Ausspruch. Der Schwerpunkt liegt bei der Dommusik natürlich auf der geistlichen Musik. Wie versuchen Sie denn, den christlichen Glauben in Ihre musikalische Arbeit zu integrieren?
Niehues: Am wichtigsten finde ich, dass Kinder verstehen, was sie singen. Wir ordnen die Kompositionen in den Kontext des Kirchenjahres ein, nehmen Bezug auf die Bibelstellen und erläutern die Hintergründe. Da wir es oft mit lateinischen Texten zu tun haben, sprechen wir darüber.
Wenn es Formulierungen im Deutschen gibt, die den jungen Menschen nicht so gebräuchlich sind, suchen wir gemeinsam nach Erklärungen. Dabei ist es jedes Mal unglaublich spannend, auf welche für Erklärungsversuche sie kommen. Ganz oft treffen sie dabei den Nagel voll auf den Kopf!

DOMRADIO.DE: Bei all den Chorproben und Chorauftritten frage ich mich: Wie entspannt sich ein Domkapellmeister in seiner Freizeit, sofern er Freizeit überhaupt hat?
Niehues: In den letzten drei Wochen war meine Freizeit sehr auf ein Minimum reduziert (lacht). Ich hatte ein Wochenende frei, da habe ich mich – vorsichtig formuliert – nicht gerade viel bewegt. Mein längerfristiges Ziel muss aber sein, zum Ausgleich auch wieder mehr Sport zu treiben und öfter einmal privat ins Konzert oder die Oper zu gehen. Oder endlich mal wieder ins Kino…
DOMRADIO.DE: Auf was freuen Sie sich am meisten mit Blick auf die nächsten Monate?
Niehues: Erst einmal freue ich mich auf das Pontifikalamt am Sonntag. Es wird wunderbare Musik geben und, wie ich hoffe, wird der Domchor super aufgestellt sein und gut gelaunt singen. Im Anschluss freue ich mich darauf, mit den Sängern und Eltern auf der Domplatte beim Begegnungsfest der Dreikönigswallfahrt ein bisschen feiern zu können. Und dann kommt ja auch bald schon Weihnachten…
Das Interview führte Mathias Peter.