Unterwegs als Kulturbotschafterinnen: Mädchenchor am Kölner Dom reist nach Südafrika


Erneut geht es in diesem Sommer für die Sängerinnen aus Köln ans Kap der Guten Hoffnung. In Konzerten, Workshops und Gottesdiensten steht vor allem der musikalische Austausch im Mittelpunkt.

Wie glauben die Menschen in Südafrika? Wie feiern sie Gottesdienst? Wie sprechen sie über ihren Glauben, und wie sieht das Gemeindeleben aus? Welche Chorkultur wird gepflegt? Und welche Rolle spielt im Alltag das Thema Apartheid? Das sind nur einige der Fragen, die die Sängerinnen des Mädchenchores am Kölner Dom ab dem 21. Juli für gut zwei Wochen beschäftigen wird. Denn dann treten sie – nach der Premiere 2019 – bereits zum zweiten Mal mit ihrem Chorleiter Oliver Sperling und Assistentin Patricia Langenmantel eine Konzertreise zu mehreren Städten und Ausflugszielen an der Südspitze des afrikanischen Kontinents an.

„Natürlich haben wir viele Noten im Gepäck, aber wenigstens genauso wichtig ist mir, die vor vier Jahren geknüpften Beziehungen zu vertiefen und die Chance zu nutzen, einmal über den eigenen Tellerrand unserer Komfortzone hinauszuschauen“, erklärt der Domkantor. „Denn Südafrika ist ein unglaublich buntes Land, in dem man so viele unterschiedliche Eindrücke gewinnen kann – auch weil einen das Nebeneinander von Arm und Reich, von benachteiligten und privilegierten Menschen, von Weißen und ‚People of color’ nicht unbeteiligt lässt.“ Schließlich spielten da auch sehr bedrückende Erfahrungen mit hinein, wenn gerade beim Besuch von Townships solche Widersprüche und Kontraste ganz offensichtlich würden.

Pretoria, Port Elizabeth, Durban, Khayelitsha, Kapstadt und Stellenbosch – das sind die Stationen, bei denen die 40 Sängerinnen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren unmittelbar in Kontakt mit Gleichaltrigen kommen. Vor allem mit Kindern und Jugendlichen, die ebenfalls in Chören singen und immer wieder gemeinsam mit den Kölnern in Begegnungskonzerten – eines findet zum Beispiel mit dem berühmtesten Knabenchor Südafrikas in Drakensberge statt – auftreten werden. Denn in diesen Städten sind in der Summe allein acht Konzerte geplant, während in den Kathedralen von Pretoria und Port Elizabeth die musikalische Gestaltung von Gottesdiensten vorgesehen ist – auch das jeweils mit Partnerchören.

(c) Beatrice Tomasetti

Zudem ist Chorleiter Sperling als Dozent gefragt: An der Universität von Stellenbosch – inmitten der Weinberge des Distrikts Cape Winelands und der bergigen Naturschutzgebiete Jonkershoek und Simonsberg gelegen – wird er mit seinen Sängerinnen einen Chorleitungskurs für die dort in der Masterclass-Studierenden anbieten und in Khayelitsha, eines der größten Townships Südafrikas am Stadtrand von Kapstadt, einen Workshop mit Schulchören. „Wir tragen sprichwörtlich ans Ende der Welt unsere europäische Chormusik und damit gleichzeitig die ganze Bandbreite unserer Kultur. Wir lassen die Menschen dort an unserem Glauben teilhaben, und wir engagieren uns für Charity-Projekte vor Ort“, erläutert Sperling.

Denn auch diesmal steht wieder ein Besuch bei Pfarrer Stefan Hippler, einem deutschen Priester, der seit vielen Jahren nahe Kapstadt in Blikkiesdorp – zu deutsch Blechhüttendorf – die Aids-Initiative „Hope Cape Town Trust“ ins Leben gerufen hat, auf dem Programm. Schließlich gehöre auch diese Lebenswirklichkeit zu Südafrika, so Sperling, der mit dem Mädchenchor seitdem dieses Projekt unterstützt. „Alle diese geplanten Begegnungen schaffen in der Summe eine unglaubliche Motivation, etwas Neues kennenzulernen, was sich mit großer Vorfreude, Neugierde und auch einer guten Portion Abenteuerlust und Spannung mischt.“

Wie bei einer Chorreise auch sonst üblich bleibt nämlich auch noch genügend Zeit für das Erkunden von Landestypischem. Fahrten durch die landschaftlichen Weiten Südafrikas zu Nationalparks mit den „Big Five“, zu einer Straußenfarm und in die Wüste hat der Reiseveranstalter ebenso zusammengestellt wie eine Safari und Tripps zur Gebirgskette am südlichsten Punkt des Landes mit dem berühmten Tafelberg oder schließlich zum „Kap der Guten Hoffnung“.

Domkantor Oliver Sperling (c) Jennifer Rumbach

Wichtige Hinweise zu den Sitten und Bräuchen der Südafrikaner, einer grundsätzlich christlichen Nation, gibt im Übrigen Martin Berger, der ehemalige Domkapellmeister von Würzburg, der 2005 die musikalische Leitung beim Weltjugendtag in Köln hatte und 2014 dann von Franken einem Ruf nach Stellenbosch gefolgt ist, um hier an der Uni einen Studiengang für Chorleitung aufzubauen. Seitdem lebt der Kirchenmusiker in Südafrika und hat auch diesmal wieder dabei geholfen, das Reiseprogramm für die Kölner zusammenzustellen. „Dazu gehört vor allem, dass wir uns mit der Geschichte und den politischen Problemen dieses Landes beschäftigen, in dem es ehemals viele ethnische Kriege und deutsche Kolonialstaaten gab und in dem bis heute 13 Landessprachen existieren. Aber auch gesellschaftliche Fragen und Bildungsthemen stehen auf der Agenda“, sagt Sperling.

Trotzdem setzt er – wie immer bei solchen Fernreiseprojekten der Dommusik – vor allem auf die Kraft der Musik. „In aller erster Linie verstehen wir uns als Kulturbotschafter: des Domes und der Stadt Köln. Dafür haben wir eine Menge Motetten, Volkslieder und auch Pop-Arrangements im Gepäck, um unseren südafrikanischen Gastgebern einen möglichst repräsentativen Querschnitt europäischer Chorliteratur zu vermitteln.“ Darunter versteht der Domkantor neben geistlichen a cappella-Gesängen von Palestrina, Bach, Verdi und Mendelssohn vor allem auch das, womit sich der Mädchenchor zuhause immer wieder profiliert: mit zeitgenössischen Kompositionen wie denen von Arvo Pärt, Knut Nystedt oder Colin Mawby.

„Über das gemeinsame Musikmachen erleben wir die Menschen dort unmittelbar“, ist Sperling überzeugt. „Ohne Singen ist die südafrikanische Gesellschaft nicht denkbar und ohne die Ausbildung von Chorleitern, die als Multiplikatoren in die Gesellschaft hineinwirken, auch nicht. Wir werde in den Schulklassen viel auf Interaktion und auditives Lernen – also auf Hören und spontanes Mitmachen – setzen.“ Von seiner ersten Südafrikareise weiß er noch allzu gut: „Die Menschen dort singen ganzheitlicher. Für Afrikaner ist das nicht so eine verkopfte Angelegenheit wie für uns Deutsche, sondern mehr eine körperliche Erfahrung.“

Text von Beatrice Tomasetti